Bis auf den guten Lewis Capaldi haben die meisten der Künstler bereits „eine Ewigkeit“ im Musikgeschäft hinter sich. Selbst ein Rapper wie Fatoni ist seit mehr als zehn Jahren im Rap- und Schauspielgeschäft aktiv. Die Queens of the Stone Age blicken bereits auf ein Vierteljahrhundert Stoner-Rockgeschichte zurück, Mick Hucknall und seine Simply Red auf beinahe 40 Jahre und Nino de Angelo ist genauso lange im Geschäft wie seine britischen Kollegen. Warum wir das für erwähnenswert halten? Weil es zeigt, dass es abseits von One-Hit-Wondern und viralen TikTok-Videos noch echte Kontinuität gibt im Musikgeschäft. Kontinuität, die Generationen miteinander verbindet. Beim gemeinsamen Hören genauso wie auf den Bühnen der Republik. Die sich im Mai langsam wieder für die ganz großen Open-Air-Spektakel öffnen. Für One-Hit-Wonder ebenso wie für die großen Musiklegenden. Und wir freuen uns jetzt schon auf eine kleine Ewigkeit im Musiksommer 2023.
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• Nino de Angelo• Simply Red
• Lewis Capaldi
• Fatoni
• Jain
• Helene Fischer
• Sing meinen Song
Eine halbe Ewigkeit währt sie schon, die Karriere von Nino de Angelo. Und wenn einer weiß, wie es auch abseits von Ruhmespfaden und Erfolgen aussieht, dann der Sänger, der mit „Jenseits von Eden“ ein Stück deutscher Popgeschichte vorgelegt hat. Jetzt ist der Sänger nicht nur elegant grau meliert, er hat mit „Gesegnet und Verflucht“ auch eine gefeierte Albumtrilogie im Rücken, in der er sich persönlich wie nie zuvor mit sich selbst und seinem Leben auseinandergesetzt hat. Ähnlich offen, tiefschürfend und schonungslos macht er auf „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ weiter, einem Album, auf dem das Licht dem Schatten, die Erlösung dem Untergang und die Liebe – natürlich – auf die Liebe folgt. Auch wenn de Angelo mittlerweile erkannt hat, dass sie nicht nur seine größte Stärke, sondern auch seine gefährlichste Schwäche sein dürfte.
Wenn jemand für sich in Anspruch nehmen kann, so etwas wie „weißen Soul“ neu erfunden zu haben, dann Mick Hucknall. Als Frontmann der britischen Band Simply Red hat er seit Mitte der 1980er zwölf Alben veröffentlicht, die es praktisch alle in die deutschen Album-Top-Ten schafften, zwei davon, „Life“ und „Blue“, sogar auf die Poleposition. Nachdem es nach achtjähriger Pause mit „Big Love“ (2015) und schließlich „Blue Eyed Soul“ ein großes Comeback zu feiern und 2022 live vor über einer halben Million Menschen in Europa zu besiegeln gab, ist er jetzt endlich mit neuem Material zurück. „Time“ ist, fast 40 Jahre nach „Picture Book“, das bislang vielleicht positivste Album der Briten, eine poppige und optimistisch stimmende Reise durch Funk, Soul und Pop, mit der sich Hucknall als gereifter Ehemann, Vater und Musiker präsentieren darf. Die Zeit, so scheint es, meint es gut mit ihm.
„Forget Me“, die erste Single des neuen Lewis-Capaldi-Albums, könnte gegensätzlicher kaum sein. Wie soll man auch den sympathischen Schotten vergessen, dessen „Divinely Uninspired To A Hellish Extent“ weltweit zahlreiche Gold- und Platinauszeichnungen abräumen konnte und seit mehr als drei Jahren in den britischen Albumcharts vertreten ist? Rund sechs Jahre nach seiner ersten Single „Bruises“ dürfte bald jedes Kind den so bodenständig und normal gebliebenen Sänger und Songwriter kennen – spätestens dann, wenn wieder irgendein Gesangstalent beim Casting „Someone You Loved“ zum Besten gibt oder – in seiner Heimat ganz neu – eine seiner „Big Sexy Pizzas“ auf dem Teller landet. Statt sich nach den phänomenalen Erfolgen komplett neu zu erfinden, macht er für Album Nummer zwei jetzt das einzig Richtige: Er bleibt bei sich selbst. Und bei einem Aufnahmeprozess, der so einfach wie möglich und auf das Wesentliche reduziert ist. Schön!
Dass Anton Schneider alias Fatoni Münchner ist, hört man nicht nur an seinem Namen, man kann es auch aus seiner Delivery ableiten, die immer ein bisschen entspannter, bajuwarischer und im besten Sinne hinterfotziger ist als jene der großstädtischen und großspurigen Konkurrenz. Was man seinem Vortrag und den Texten ebenfalls anmerkt: seinen Hintergrund als Schauspieler. Fast jeder der 14 neuen Songs wirkt wie ein eigener Film und Fatoni lädt uns auf „Wunderbare Welt“ herzlich dazu ein, den mit ihm zu schieben. Und nicht nur uns. Für „Fröhlich“ kommt auch ein gewisser Alfred Jodocus Kwak ins Spiel, Danger Dan veredelt „Danke, dass Du mich verlassen hast“ und neben Max Herre und Deichkind schaut auch sein Münchner Kollege Roger Rekless vorbei. Für Selbstzweifel sollte der „König der Zweifler“ dabei keinen Anlass mehr haben. „Wunderbare Welt“ gehört zum Besten, was deutscher Rap im Frühsommer 2023 zu bieten hat.
Seit 2015 gehört die mittlerweile 31-jährige Französin, die eigentlich als Jeanne Louise Galice zur Welt gekommen ist, zu den absoluten Superstars in Frankreich. Mit ausverkauften Stadien, millionenfachen Klickzahlen, exklusiven Werbedeals und, und, und. Und immer noch macht sie von Videos über Album-Artwork bis hin zum Songwriting das meiste selbst. Immerhin ihre superansteckenden Pophymnen „Come“, „Makeba“ und „Alright“ dürfte auch hier jeder schon mal gehört haben, auch wenn Jain in Deutschland eher noch Geheimtippstatus genießt. Hoffentlich ändert sich das mit ihrem dritten Album „The Fool“. Inspiriert vom Tarot, nimmt sie uns hier mit auf ihre ganz persönliche Entwicklungsreise. Und wenn die nur halb so gut gelaunt und sommerdauerrotationsmäßig daherkommt wie die gleichnamige Single, dann wird die aparte Überfliegerin aus Toulouse auch hierzulande zum Empowerment-Vorbild und Star.
Man sollte ja immer ein bisschen vorsichtig sein im Umgang mit Superlativen. Gerade dann, wenn es um Begriffe wie „ultimativ“ geht. Allerdings gehen einem bei deutschen Superstars wie Helene Fischer die Superlative auch schnell aus. Ob mit Dauerbrennern wie „Atemlos durch die Nacht“, mit Quotenrekorden im TV oder mit Liverekorden: Die unbestrittene deutsche Queen des Schlagerpop setzt regelmäßig neue Maßstäbe. Weshalb „Das ultimative Best Of“ mit sage und schreibe 24 Hits aus der Fischer-Karriere wohl nicht zu hoch gegriffen ist. Parallel zu ihrer gigantischen Livetour durch Deutschland findet sich hier von „Atemlos durch die Nacht“ über „Jetzt oder nie“ bis hin zu ihrem Duett mit Luis Fonsi („Vamos A Marte“) alles, was angehende (und bestehende) Helene-Fans brauchen: rund 90 Minuten im Himmel des Schlagerpop.
Rundes Jubiläum beim musikalischen Lagerfeuer mit Erfolgsgarantie: Zum zehnten Mal bittet VOX nun schon in südliche Gefilde, um sehr bekannte Popstars (und solche, die es nach Ausstrahlung der Sendung erst werden) die Lieblingssongs von den jeweils anderen zum Besten geben zu lassen. Meist in unerwarteter und oft mitreißender Neubearbeitung und immer begleitet von emotionalen Geständnissen und Liebesbekundungen, was ja auch den Charme der Songtauschsause ausmacht. Diesmal hat abermals Johannes Oerding die Rolle des Conférenciers inne, ihm zur Seite stehen neben Dauer-TV-Gast Nico Santos, Silbermond-Sängerin und Voice-Jurorin Stefanie Kloß, Clueso und Lea auch der aufstrebende Rap-Newcomer Montez und die kurz vor dem Durchbruch stehende Alli Neumann. Für große Emotionen und packende Neuinterpretationen ist also gesorgt.